Rechtssuchende sollen ihre Rechte eigenständig verwirklichen können. Wir setzen uns dafür ein, dass jeder einfach zu seinen Rechten gelangt und sich selbst gegen erkanntes Unrecht zur Wehr setzen kann.
Wir fordern einen besseren Zugang zum Recht für alle
1. Rechtsverwirklichung durch aussergerichtliche Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution)
Aussergerichtliche Lösungen haben das Potenzial, Konflikte und Streitigkeiten ganzheitlich anzugehen und vorliegendes Unrecht nachhaltig auszugleichen. Daher fordern wir, dass einem Behörden- und Gerichtverfahren kostenlos eine aussergerichtliche Verhandlung oder Mediation vorgelagert und von geschulten Fachpersonen begleitet wird. Fördert und anerkennt das Rechtssystem aussergerichtliche Lösungsansätze, führt dies zur Entlastung der Gerichte und zu werthaltigeren Lösungen als dies ein Schlichtungsverfahren oder ein Prozess erreichen kann.
2. Abbau von finanziellen Hürden im Zivilprozess (Access To Justice)
Unverhältnismässig hohe Gerichts- und Anwaltskosten führen dazu, dass Personen und Unternehmen mit geringen bis mittleren Einkommen und Vermögen, welche sich nicht für die unentgeltliche Prozessführung qualifizieren, ein gewisses Unrecht hinnehmen und den Gerichtsweg scheuen. Dies lässt sich vermeiden, wenn der Staat bei erkanntem Unrecht auf Kostenvorschüsse verzichtet, Verfahrenskosten und Parteientschädigung senkt bzw. übernimmt und persönliche sowie finanzielle Verhältnisse berücksichtigt, um dem Recht zu seiner Durchsetzung zu verhelfen. Zudem soll sich der Betroffene frei zwischen der Rechtsvertretung und dem Rechtscoaching entscheiden können, indem er im Obsiegensfall auch für das Rechtscoaching entschädigt wird.
3. Freie Rechtsinformation und Beratung in Behörden- und Gerichtsverfahren (Access To Law)
Wir setzen uns für eine schweizweit einheitliche Praxis ein, dass sich Betroffene gegenüber Polizei, Behörden und Gerichten, soweit dies das Gesetz zulässt, von einem Rechtsbeistand beraten und begleiten lassen können, ohne dass sie sich anwaltlich vertreten lassen müssen. Der Rechtsbeistand ist gerade in Strafbefehlsverfahren von Bedeutung, wenn Beschuldigte im Ermittlungsverfahren ohne Rechtsvertretung gegenüber der Polizei auftreten.
Mit einem Rechtsbeistand erhält ein Betroffener eine Begleitperson bzw. einen Rechtscoach. Dieser hat eine beratende, begleitende und unterstützende Funktion und hilft dem Betroffenen, dass dieser besser über das Recht und das Verfahren informiert und aufgeklärt ist. Er tritt aber im Gegensatz zu einem Anwalt nicht rechtsvertretend auf. Zudem kann ein Rechtscoach für einen Betroffenen auch eine moralische Unterstützung sein. Mit Rechtsbeistand und Rechtscoaching können sich Betroffene somit besser auf ein Verfahren vorbereiten, selbständig gegenüber Polizei, Behörden und Gerichten auftreten und sich bei Bedarf selbst verteidigen oder erklären. Dies führt zu einer ausgewogeneren und ausgeglicheneren Rechtsanwendung und schafft einen besseren Zugang zum Recht für alle.
Zugang zum Recht für alle?
Den Zugang zu Rechtsinformationen, Rechtsdienstleistungen und Rechtslösungen verbessern
Anfang September erschien im Fokus Rechtsguide 2020 des Tagesanzeigers ein Artikel mit dem Titel „Zugang zum Recht für alle!“. Redakteur Lars Gabriel Meier führte mit dem Leiter des Rechtsateliers, Jean-Luc Delli, ein Gespräch darüber, wie man den Zugang zu Rechtsinformationen, Rechtsdienstleistungen und Rechtslösungen verbessern könnte. Fokus.swiss hat das Gespräch abgekürzt publiziert (für den Artikel klicken Sie auf das Bild), das vollständige Gespräch finden Sie hier.
Herr Delli, warum gibt es so viele Unsicherheiten im Rechtsalltag?
Rechtssuchende haben das Bedürfnis, eine konkrete Lösung auf ein Problem bzw. eine individuelle Situation zu erhalten. Rechtsdienstleistungserbringende sind gefordert, ihre Lösungen so zu entwickeln, dass sie sowohl der Rechtsordnung als auch den Interessen der Rechtssuchenden entsprechen. Ob eine Lösung aussergerichtlich verhandelt wird oder gerichtlich zustande kommt,
unterscheidet sich auch punkto Kosten, Zeit und Ungewissheit über den Ausgang. Dabei sind die Chancen auf Erfolg nicht plan- und voraussehbar. Den Rechtssuchenden bleibt das Risiko erhalten, dass sie trotz des betriebenen Aufwands im Unrecht bleiben.
Rechtssuchende in ihrer Entscheidfindung zu begleiten, zu analysieren, wo sie stehen (Situations- und Rechtsanalyse), zu verstehen, was das Kundeninteresse ist und welche Handlungsfelder und Lösungsoptionen offenstehen, gehören zur professionellen Rechtsdienstleistung.
«Professionelle Rechtsdienstleistungserbringende erkennen, wonach Kunden suchen und gewichten die Kundenerfahrung gleichwertig mit der erbrachten Rechtsinformation und verbundenen Beratung. So entstehen werthaltige Lösungen.»
Heutzutage ist es möglich, eine Einzelberatung anonym im Internet, telefonisch, oder in Form eines persönlichen Gesprächs zu einem moderaten Festpreis zu erhalten. Welche Vorteile bieten telefonische und persönliche Einzelberatung?
Im Rahmen einer telefonischen oder persönlichen Einzelberatung gelangen Rechtssuchende so an die notwendigen Rechtsinformation, um danach zu entscheiden, wie sie selbst oder mithilfe Dritter zu ihrem Recht kommen. Das bzw. sein Recht zu kennen, entspricht einem
Kundenbedürfnis und hat einen entsprechenden Marktwert. Standardisierte Rechtsinformation ist heutzutage im Internet leicht «zugänglich», sie ist aber für den Rechtssuchenden nicht direkt anwendbar. Rechtsdienstleistungserbringende können das Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt stellen und selbst ebenso leicht zugänglich sein und Rechtsinformation und Rechtsdienstleistungen erschwinglich auf dem Markt anbieten.
«Der Kunde steht im Mittelpunkt.»
Wann reicht eine Einzelberatung zum Festpreis nicht mehr aus, um dem Kundenbedürfnis zu entsprechen?
Im Rahmen einer Einzelberatung erfahren Rechtssuchende ihr Unrecht (Rechtsinformation) und welche rechtlichen Lösungen möglich sind. Wenn Rechtssuchende die Handlungsfelder und Lösungsoptionen selber umsetzen können, bietet die Einzelberatung erschwinglich eine Anleitung, wie vorzugehen ist, um seine Ziele zu erreichen. Bei einfachen Situationen kann das durchaus bereits den Kundenbedürfnissen genügen. Rechtssuchende wissen, wie sie weiter vorzugehen haben. Eine Einzelberatung reicht dann aber nicht mehr aus, wenn Rechtssuchende weitere Rechtsdienstleistungen oder eine Person wünschen, welche sie in der Angelegenheit berät, begleitet oder vertritt.
Können bei Bedarf auch Rechtsinformationen in einfacher Sprache bezogen werden?
Rechtsinformation, ob mündlich oder schriftlich, muss für den Rechtsuchenden verständlich sein. Dies gilt für ein Gerichtsurteil wie für einen Vertrag oder eine Rechtsberatung.
«Professionelle Rechtsdienstleistungserbringende verstehen es, den Rechtsuchenden Rechtsanalyse und Rechtslösung so zu beschreiben und erklären, dass diese die Situation und das weitere Vorgehen verstehen.»
Sie unterstützen Kunden bei der Entscheidfindung, welche Lösung mit welchen Ressourcen in der aktuellen Situation passend ist. Dies setzt voraus, dass die Beraterperson das Unrecht und das Problem der Rechtssuchenden gut aufgefasst hat und die Beratung mit den Bedürfnissen des Rechtssuchenden abstimmt. Demgegenüber verstehen es professionelle Rechtsdienstleistungserbringende Rechtsinformationen und Rechtsdienstleistungen in einer einfachen Sprache den Kunden zugänglich zu machen.
Wie sieht es mit dem Zugang zum Recht aus, wenn man unsere Landessprachen nicht versteht?
Recht ist hierzulande in Fremdsprachen wenig zugänglich und ohne die Beherrschung der Landessprachen bleibt Rechtssuchenden der Zugang zum Recht meist verwehrt. Fremdsprachige Rechtssuchende werden somit oft daran scheitern, dass sie Rechtsinformationen selber nicht finden können.
Wie erkennt man als Laie eine professionelle Rechtsberatung?
Bei einer professionellen Rechtsberatung steht der Kunde im Mittelpunkt. Der Kunde entscheidet selbst, was er bekommt: Sei es nur Rechtsinformation (sprich: eine Rechtsanalyse, Situationseinschätzung und Handlungsempfehlungen) oder aber auch weitere Rechtsdienstleistungen wie Rechtsberatung, Rechtscoaching und Rechtsvertretung. Bei der Form der Zusammenarbeit hat der Schweizer Rechtsmarkt Potenzial. Die herkömmliche Rechtsvertretung unter Ausschluss der Kunden oder gar deren «Bevormundung» finden wir nicht mehr zeitgemäss.
«Professionelle Rechtsdienstleistungserbringende variieren ihre Rolle und passen die Form der Zusammenarbeit der Kundenbeziehung an.»
So können Rechtsdienstleistungserbringende statt dominant als Rechtsvertreter, wo der Kunde ausgeschlossen wird, alternativ ihre Kunden aus dem Hintergrund beratend unterstützen. Hierzulande noch wenig Beachtung findet das Rechtscoaching, bei dem Rechtsdienstleistungserbringende ihren Kunden auf Augenhöhe zur Seite stehen und diese so bei gerichtlichen oder aussergerichtlichen Verhandlungen mitreden und mitgestalten können, was in gewissen Fällen geradezu zielführend sein kann, da die Kunden den Prozess mitgestalten und Teil der Lösung werden.
«Denn Kunden sollen entscheiden können, ob sie einen Rechtsstreit gerichtlich oder auf anderen Wegen lösen wollen und welche Ressourcen dafür eingesetzt werden.»
Muss Rechtsberatung immer teuer sein? Wie kann Rechtsberatung «erschwinglich» angeboten werden?
Nur bei voller Kostentransparenz haben Kunden auch die nötige Kostenkontrolle. Während bei einem Gerichtsverfahren der Streit einstweilen ausgetragen wird, begegnen sich die Parteien in einer Verhandlung oder Mediation auf der Lösungsebene. So können Probleme aussergerichtlich nachhaltig und praktisch gelöst werden, was oft gewinnbringend ist, Potenzial schafft und nicht unwesentlich Ressourcen spart. Eine professionelle Rechtsdienstleistung wird daher den Dialog fördern und alle möglichen aussergerichtlichen Lösungswege ausloten, ehe ein möglicherweise konfliktreicher, langer und teurer Gerichtsweg eingeschlagen wird.
Erläutern Sie Ihr Verständnis von «Zugang zum Recht».
Zugang zum Recht («Access to Law») wird im Rechtsmarkt oft als «Access to Lawyers» ausgestaltet. Internetplattformen und Anbieter werben damit, Rechtssuchenden eine passende Anwaltsperson zu vermitteln. Dabei hat der «Zugang zum Recht» in der Schweiz noch immenses Potenzial. Dass jedermann hierzulande Rechtsdienstleistungen erschwinglich und auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten erhalten kann, sollte wie bei anderen Dienstleistungen selbstverständlich werden. Viel zu oft leben Menschen im Unrecht, weil sie das Recht nicht kennen, den Mehrwert von Rechtsdienstleistungen nicht erkennen oder keinen Zugang zu zufriedenstellenden Rechtslösungen finden.
Kann man überhaupt ohne Geld und Einfluss zu seinem Recht kommen?
Der Zugang zum Recht ist hierzulande nicht immer gewährleistet. Zwar gilt die Schweiz als Rechtsstaat, aber zu oft scheitert es an der Rechtsdurchsetzung. So leben Menschen im Unrecht, weil sie ihr Recht nicht kennen (fehlender Zugang zu Rechtsinformationen) oder keine Rechtslösung erreichen können und weil ihnen der Zugang zu Rechtsdienstleistungen verwehrt bleibt (fehlender Zugang zu Rechtsdienstleistungen und Rechtsinformationen). Die hohen Kosten der Rechtsdienstleistungen sind ebenso ein Problem wie die Kosten bei Gerichtsverfahren. Gerade der Schweizer Mittelstand kann sich diese Kosten oft nicht leisten, qualifiziert sich jedoch auch nicht für die unentgeltliche Prozessführung. Der Gesetzgeber ist gefordert, Recht und Rechtslösungen zugänglicher und erschwinglicher zu machen.
«Auch Rechtsdienstleistungserbringende können ihren Beitrag leisten, indem sie den Kunden in den Mittelpunkt stellen und erschwingliche Lösungen anbieten.»
So werden auch Menschen zu ihren Kunden, die bis anhin noch keinen Zugang zum Recht haben.